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  • AutorenbildFriedhelm Boschert

Kontrollierst Du noch oder coachst Du schon?

Aktualisiert: 4. Feb. 2019


Wie Mitarbeiter-Coaching mit Achtsamkeit besser gelingt.

In einer breitangelegten Expertenbefragung der TU München 2016 zu den absehbaren Veränderungen in der Führung wurden “Abgabe von Macht” mit 89% und “Beziehungsförderliches Verhalten” (durch Coaching und Enabling) mit 62% mit Abstand an vorderster Stelle genannt.


Im agilen Team muss der Chef zum Coach werden

Sebastian F., Abteilungsleiter, 42,  in einem Elektronik-Konzern, wundert sich darüber nicht. “Wenn ich will, dass die Mitarbeiter noch eigenständiger handeln, dann muss ich denen von meiner power abgeben.” Die TU drückt das in der Studie etwas wissenschaftlicher aus: “Durch die mit Digitalisierung einhergehende Komplexitätserhöhung ist es für Führungskräfte zunehmend schwer, das für eine Aufgabenstellung relevante Wissen zu besitzen, um Mitarbeitende im Detail anleiten und kontrollieren zu können. Daher müssen Mitarbeitende stärker denn je von Führungskräften dazu befähigt werden, selbständig zu arbeiten.“ Und da muss der Chef zum Coach werden.

Klingt gut, oder? Und ausserdem haben wir das ja schon immer gemacht, werden Sie womöglich gleich sagen. Waren stets offen für die Probleme des Mitarbeiters, haben ihm Ratschläge gegeben und ihm auch schon mal eine Lösung gezeigt. Fein, nett gemeint – aber echt voriges Jahrhundert! Heute geht es nicht um gutgemeinte Ratschläge. Es geht darum, den Mitarbeiter zum eigenständigen Problem-Lösen zu ermutigen, ihn zu befähigen, bei sich selbst neue, noch nicht genutzte Potentiale zu erkennen und einzusetzen. Darum vor allem geht es beim Mitarbeiter-Coaching!


"Get in touch with yourself"

Bevor Sie nun nach einer Toolbox fragen, muss ich Sie gleich einbremsen. Mal eben ein paar Verhaltensrichtlinien und Fragetechniken einzusetzen, reicht absolut nicht aus. Vorher muss noch etwas ganz Entscheidendes passieren: “First you have to do your inner work!”, wie es Doug Silsbee, einer der führenden amerikanischen Coaches formulierte. Wer nicht klar ist, mit sich selbst, kann andere nicht zielgerichtet coachen. Wer sich selbst nicht versteht, kann andere nicht verstehen. Und, wunderbar ausgedrückt von Anne Morrow Lindbergh, “if one is out of touch with oneself, then one cannot touch others”. Ziemlich hohe Ansprüche, nicht wahr? Zu recht, wie ich meine, denn als Coach haben Sie ja eine hohe Verantwortung!

Also, was brauchen wir dazu? Richard Boyazis, Autor von “Resonant Leadership”, bringt es auf den Punkt: “Selfawareness, sensitivity for others, empathy – the 3 most valued skills for efffective coaching. Actually this means to be aware of myself, my signals, my behavior and at the same time be sensitive of what I see, feel, hear.“ Damit beginnen wir, da kommt bereits Mindfulness ins Spiel. Sie erinnern sich: es gibt immer auch die achtsame Perspektive, die „Mindful Solution“.


Erster Schritt im Mitarbeiter-Coaching, das musste auch Sebastian F. schnell erfahren,  ist die eigene innere Vorbereitung. “War mir vorher nicht bewusst, was ich so alles mit mir herumtrage”, Sich seiner eigenen geistigen und emotionalen Gewohnheiten und Routinen gewahr sein. Kennen Sie Ihre Grundannahmen, mit denen Sie anderen begegnen? “Jeder weiß, was für ihn gut ist  – oder im Gegenteil vielleicht auch nicht?”; “Der Mensch ist lernfähig – oder vielleicht auch nicht?”; “Menschen können nur sich selbst verändern – oder vielleicht auch nicht?”. Fragen wie diese haben Sie auf jeden Fall bereits für sich beantwortet, ob Sie es wissen oder nicht. Und die Antworten bilden Ihre “Grundannahmen”, mit denen Sie durch’s Leben gehen. Und anderen begegnen. Daher sollten Sie sich Ihre “Grundannahmen” schleunigst offenlegen, bevor Sie anfangen zu coachen!


Der Coach beherrscht den Fokus-Wechsel

Alsdann müssen Sie über eine besondere Fähigkeit verfügen: gleichzeitig sich selbst, den anderen, dessen Botschaft und die Umgebung wahrnehmen zu können. Immer wieder den FOKUS wechseln zu können. Nach innen (“wie geht es mir dabei?”), zum anderen (“was fühlt er dabei?”), zur Botschaft (“was höre ich, was will ich hören, wie kommt es an?”) bis zur Meta-Perspektive auf sich selbst und den Mitarbeiter (“wie sitzen wir einander gegenüber? Was drücken wir aus? Stimmt die Umgebung?”).

Reinhard R., Teilnehmer eines Achtsam-Führen-Seminars: "Leuchtete mir sofort ein, aber in der Praxis war das zu Anfang doch recht schwierig, da hatte ich Mühe, den Inhalt des Gesprächs wiederzugeben. In der Zwischenzeit geht das aber ganz automatisch.” Klar doch, für diese Fähigkeit brauchen wir ein sehr hohes Maß an Achtsamkeit. Probieren Sie es doch mal aus: hören Sie eine Minute auf einen einzelnen Ton, dann eine Minute auf Ihre inneren Geräusche, dann eine Minute auf alle Geräusche um Sie herum. Und dabei lesen Sie noch einen Text … Erfordert einiges an Training, vor allem aber eine regelmäßige Achtsamkeitspraxis.


Das Gespräch lange offen halten

Sind dann einmal im Coaching-Gespräch, ist es wiederum Achtsamkeit, die hilft, nicht gleich in alle Fallen zu tappen.  Als da wären: „Kenne ich die Antworten schon?“, „Will ich etwas Bestimmtes hören?“, „Stelle ich meine Sicht an die des anderen?“, „Muss ich den Experten herausstellen?“ „Lenke ich das Gespräch unbewusst?“ oder „Gehen wir gerade elegant um das Problem herum?“. „Wie eigentlich erkenne ich, was die andere Person wirklich benötigt und wie kann ich das unterscheiden von dem, was ich glaube, was er oder sie benötigt. Oder gar von dem was ich benötige?“. Das sind einige der Fragen, die Sie sich laufend selbst beantworten müssen, während Sie zu hören. Geht nur mit achtsamem Fokuswechsel.

Nicht sofort werten, mit den Augen des Anfängers sehen, distanzierungsfähig und präsent sein. Das sind jene Achtsamkeits-Prinzipien, die Ihnen einen sinnvollen Coaching-Prozess erst ermöglichen. Das Offenhalten etwa, also nicht sofort eine Lösung haben.  Absolut tödlich für das Lösungspotential des Mitarbeiters, wenn Sie nach 5 Minuten glauben, schon die Lösung zu haben und sie ihm stolz präsentieren. Das sollten Sie nicht mal als Führungskraft tun, schon gar nicht als Coach.  Auch wenn Sie als Chef das so gewohnt sind. Lesen Sie dazu auch meinen Beitrag im Blog „Über Selbstführung im digitalen Zeitalter“.


Auch Stille Aushalten - Zeit geben

Jeder ist der Experte für sich selbst. Ihr Mitarbeiter kennt sich selbst besser als Sie das jemals tun werden. Sie können ihn ermuntern, mal Perspektiven zu wechseln, mal Innezuhalten, mal Stärken zu beleuchten. Aber Sie können ihm bestimmt nicht sagen, was gut für ihn ist. Enttäuscht jetzt? Wollten Sie ihn etwa so coachen? Mit Ratschlägen kommen? Die kommen, wenn überhaupt, erst sehr viel später. Zuerst brauchen Sie die Geduld und die Zuversicht, dass es eine Lösung gibt und der Mitarbeiter die auch finden wird. Geben Sie ihm die notwendige Zeit und Stille. Lenken Sie ihn nicht gleich durch dauerndes Fragen. Erst dann, wenn notwendig, aber das müssen Sie sensibel erspüren.

Und das Wichtigste beim Fragen: die Fragen müssen dazu beitragen, dass der Mitarbeiter sich selbst besser versteht, nicht dass Sie ihn besser verstehen. Ist ja schließlich kein Verhör und Sie sind nicht der wahrheitssuchende Staatsanwalt. “Als mein Vorgesetzter zu fragen anfing, hatte ich das Gefühl, er suchte etwas Bestimmtes, er wollte etwas bestimmtes hören”, erzählt Raimund W., Projektleiter IT-Service. “Ich hatte Mühe, den Fragen zu folgen, es war mir aber überhaupt nicht klar, was ICH denn wollte”. Entsprechend unergiebig empfand er das Coaching. Was sein Chef leider nicht mitbekam.


Die Rollen als Coach

“Achtsamkeit im Coachinggespräch zu praktizieren bedeutet, nicht reflexartig zu reagieren, sondern erst einmal einen Schritt zurückzutreten und die passende kommunikative Reaktion zu erwägen.”, so heißt es im Coaching-Leitfaden eines großen deutschen Konzerns. Klasse formuliert! Darum geht es! Brauche wohl nicht zu erwähnen, dass es in diesem Konzern kein einziges Führungsseminar gibt, in dem nicht auch die Achtsamkeits-Perspektive gelehrt und geübt wird.

Im Mindful Coaching lernen Sie, mit unterschiedlichen Rollen als Coach zu jonglieren. Mal sind Sie der Reflektor, mal der Teacher, mal der Guide. Die achtsame “Master-Rolle” sorgt dafür, dass Sie die richtige Rolle zur richtigen Zeit einsetzen. Dann sind Sie ein MINDFUL COACH und wirksam. Und erreichen, was das Ziel des Mitarbeiter- Coachings ist: den Mitarbeiter zu befähigen, eigene Entwicklungen in Gang zu setzen, eigene Potentiale zu entdecken, noch eigenständiger zu werden. Interessiert? Noch Fragen? Gegen-Argumente?


Kommentieren Sie, diskutieren wir!


Mit achtsamen Grüßen,

Ihr Friedhelm Boschert


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