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AutorenbildFriedhelm Boschert

“Meetings ufern aus”. Nutzen Sie das!

Aktualisiert: 17. Nov. 2018


“Die Sitzungen des Topmanagements summieren sich zum Teil auf 7.000 Stunden pro Jahr. Zudem halten sich Führungskräfte durchschnittlich gut zwei Tage pro Woche in Sitzungen mit mehr als drei Teilnehmern auf.”

So die Ergebnisse der Studie „Managing Your Scarcest Resource“ der internationalen Managementberatung Bain & Company. Und: “Meetings und Mails sind die größten Zeitkiller im Job”, titelt die FR im Karriereteil. Man darf getrost noch ergänzen: Sie sind auch die Quelle großer Unzufriedenheit, sowohl bei Mitarbeitern als auch bei Führungskräften.

Und wirken damit negativ auf die Führungskultur. Eine aktuelle Studie der Hochschule Niederrhein, Führungskultur in Deutschland von Prof. Cicik, kommt nach der Befragung von mehr als 500 Führungskräften zu wahrlich deprimierenden Schlussfolgerungen: “Führungskräfte fordern viel – bieten aber wenig” und “Insgesamt betrachtet, wurden die angestrebten Ziele der Führungskulturveränderung … bislang eher verfehlt”. Da läuft also gewaltig was schief in unseren Führungsetagen und in der Führungskultur. Deren Defizite spiegeln sich 1:1 in der heutigen Sitzungs(un-) kultur. Darin liegt aber auch eine große Chance! Doch der Reihe nach.


Die Meeting- (Un-) Kultur

„Da führt mancher 100 oder mehr Mitarbeiter. Doch er achtet nicht darauf, wie nachlässig er eine Besprechung betritt“, stellte vor drei Jahren schon die Wirtschaftswoche fest. Das Handy noch am Ohr, den Blick auf die Mails am Smartphone oder die vorige Besprechung noch im Kopf – wie wollen Sie da Präsenz zeigen? Aufmerksamkeit erzeugen? Einbindung herstellen? Haben Sie schon mal drüber nachgedacht, wie Sie so auf Ihre Mitarbeiter wirken?

Aber die Nachlässigkeit beginnt in der Regel schon früher. Bei den Einladungen. Viele Meetings finden oftmals doch nur noch aus reiner Gewohnheit statt: weil’s keiner hinterfragt. Das hat die Bain-Studie auch wieder bestätigt. Wenn ich in Seminaren die Teilnehmer auffordere, das mal anhand ihres eigenen Terminkalenders zu überprüfen, dann herrscht oftmals tiefe Bestürzung, was sich da denn “aus Gewohnheit” so angesammelt hat. Auch das ist Führungskultur – wenn auch nicht gerade eine empfehlenswerte.


Falsche Toleranz zeigt Wirkung.

Aber bleiben wir bei den Sitzungen selbst. Was wird da nicht alles toleriert! “In einem der untersuchten Unternehmen haben 20 Prozent der Konferenzteilnehmer während der Sitzung im Schnitt alle 30 Minuten drei oder mehr E-Mails verschickt.” (Bain-Studie) Kommt Ihnen bekannt vor, oder? Aber wann haben Sie sich das letzte Mal dazu geäußert? Oder haben Sie schon resigniert? Neben dem Fakt, dass dies ganz ordentlich ins Geld geht (lt. der erwähnten Bain-Studie gehen …“bei 10.000 Mitarbeitern auf diese Weise rund 60 Millionen US-Dollar verloren. Dies sind 20 Prozent der Gesamtkosten aller Meetings”), haben Sie schon mal daran gedacht, was Sie im Sinne der Führungskultur damit auslösen? Was S i e als Chef oder Sitzungsleiter durch diese “Toleranz” hinterlassen? Hier wäre eine achtsame Selbstreflexion mal dringend angeraten.

Auch hinsichtlich der Einstellung und Haltung vieler Teilnehmer. Etwas, das ich auch aus meinen Vorlesungen kenne. Die ganze Körperhaltung – lax zurückgelehnt, Beine gestreckt - drückt, vorsichtig formuliert, entspanntes Desinteresse aus. Ist das Motto Ihrer Führungskultur “Lässig durch den Tag”, dann dürfen Sie das ruhig weiter tolerieren und klare Zeichen in diese Richtung setzen, indem sie dazu schweigen.


Das Meeting als Bühne

Machen Sie sich nichts vor: Die Mitarbeiter beobachten und interpretieren permanent Ihr Verhalten und Ihren Auftritt. Dabei registrieren sie in erster Linie, worauf S i e Ihre Aufmerksamkeit lenken. Und wo geht das besser als in Sitzungen? Ein perfektes Theater mit Bühne, Schauspielern und Zuschauern. Bei vielen Sitzungen fragte ich mich, ob dieser Selbstdarsteller namens “Chef” oder “Sitzungsleiter” auf der Bühne überhaupt noch sein Publikum wahrnimmt. Dessen absackende Stimmungslage, starr abwesende Blicke, verstohlenes Gähnen. Aber nein, er will ja seine “message” liefern, nudelt die Tagesordnung runter – und beendet die Sache dann noch nicht mal richtig. Weil alle lustlos auseinander gehen, nicht wissen, was das Stück sollte und was nun erwartet wird. Genau s o prägen Sie Führungskultur! Ungewollt. Tag für Tag. Frage ist nur, ob das Ergebnis von Ihnen beabsichtigt ist, oder nicht. Wenn Sie tatsächlich positive Veränderungen in Ihrer Führungskultur beabsichtigen, dann sollten Sie weiterlesen.


Meetings aktiv nutzen für die Prägung Ihrer Führungskultur

“Top Manager verbringen bis zu 2/3 ihrer Arbeitszeit in Besprechungen, das mittlere Management rund 50%”, so das Handelsblatt mit einer Studie des Beratungs-unternehmens Strategie-Forum. Und alle stöhnen! Also höchste Zeit, das mal positiv zu sehen! Betrachten Sie die Meetings doch mal aus einem neuen Blickwinkel. Vergessen Sie für einen Moment den sachlich-inhaltlichen Aspekt. Betrachten Sie das Meeting als einen Mikrokosmos Ihrer Firma, als das Abbild der “emotionalen Realität und Kultur” (Goleman) Ihres Unternehmens. Wollen Sie, dass es in Ihrer Firma künftig abgeht, wie in Ihren Meetings? Alle Beteiligten mit Verstand, Herz und Geist dabei sind. Aufmerksam. Neugierig. Produktiv. Kreativ. Schnell und effizient. Wow!


Was also machen? Richtig! MINDFUL SOLUTIONS – es gibt immer auch die achtsamen Lösungsansätze! Auch für die Sitzungs- und Führungskultur. Da setze ich zuerst mal voraus, dass Sie die 5 P’s als die sachlichen Mindestanforderungen einer ordentlichen Besprechung auch praktizieren (falls die Ihnen justament nicht einfallen wollen J… : “purpose, people, plan, participation, progress”).


Eine neue Meeting Kultur durch Achtsamkeit:

Für Sie als Sitzungsleiter beginnt das schon vor dem Start. Mindestens 5 Minuten Abstand zum vorherigen Termin. Sitzen Sie aufmerksam an Ihrem Schreibtisch. Aufrecht. Beobachten Sie Ihren Atem (1 Min). Fragen sich freundlich neugierig, was los ist in Ihnen, in Ihrem Körper, Ihren Gefühlen, Ihren Gedanken (2 Min). Nur registrieren, nichts verändern. Und danach denken Sie einfach noch mal zwei Minuten – an nichts. Dann gehen Sie entschlossen und locker in die Sitzung.


Die achtsame Sitzung beginnt – vor der Begrüßung! – mit einer Minute “Fokus-Stille”. Das gibt allen Teilnehmern die Chance, mit Körper, Herz und Verstand da zu sein. Und stoppt vor allem das Geschnatter. Erfordert ein wenig Mut von Ihnen, das einzuführen. Sie werden aber sehen, dass diese Minute in Bezug auf die Aufmerksamkeit der Teilnehmer wahre Wunder wirken kann. Probieren Sie’s doch aus! Oder besuchen vorher unsere Workshops wie “Das achtsame Meeting – effizient, kurz und kulturverändernd”.

Danach Teilnehmer abholen – modern auch “Team-Check-In” genannt. Sie wollen ja eine 100/100-Sitzung, oder nicht? 100% der Teilnehmer sind 100% dabei. Neben der Moderation liegt nun eine der schwierigsten Aufgaben bei Ihnen: die “Achtsame Selbstbeobachtung”. Den Wechsel zwischen “konzentriertem Zuhören”, dem “Erspüren der Stimmung im Raum” und dem “Erspüren der eigenen Stimmung” gezielt zu managen. Also immer wieder auf die Meta-Ebene zu gehen, bei sich selbst und in Bezug auf die Sitzung. Klingt vielleicht schwierig, kann aber mit regelmäßiger Achtsamkeitspraxis leicht praktiziert werden. Üben Sie enge Fokussierung und weite Fokussierung.

Achten Sie auf die Körperhaltung und Ablenkungen Ihrer Teilnehmer. Ermuntern Sie konstruktive Sichtweisen. Fordern Sie achtsames Zuhören und Sprechen (nicht so schwer, wie es klingt). Zeigen Sie Wertschätzung - am besten durch achtsames Zuhören, bei dem Sie nicht sofort urteilen. Siehe auch die 6 Prinzipien der Achtsamkeit, hier das “Nicht werten”.

Ein weiteres Achtsamkeitsprinzip ist “Den Blick des Anfängers wahren”. Betrachten Sie den Sitzungsverlauf immer wieder aus dieser Perspektive. Damit stellen Sie Routinen in Frage und kommen so manchen Gewohnheiten und Ineffizienzen auf die Spur. Falls Ihnen das schwerfällt, dann befragen Sie doch nach der Sitzung einfach den oder die neu eingestellten Mitarbeiter zu deren Sichtweise. Diese Mitarbeiter haben noch einen unverstellten Blick und bieten Ihnen unverbaute Einsichten – zumindest in den ersten Wochen.


Sitzungskultur prägt Führungskultur und umgekehrt

Also: Meetings aktiv nutzen, um Führungskultur zu verändern oder zu vermitteln. Sparen Sie sich das wochenlange Herumbasteln an Leitbildern, die eh keiner liest. Konzentrieren Sie sich lieber auf die Situationen des täglichen Zusammenseins. Ein Gutteil davon spielt sich nun mal eben in Sitzungen ab. Gestalten Sie diese achtsam, bringen Sie Ihre Haltung achtsam und klar zum Ausdruck.

In unseren Workshops wie “Das achtsame Meeting – effizient, kurz und kulturverändernd” lernen Sie, wie Sie Ihre Führungskultur über Meetings maßgeblich gestalten und verändern können. Und darüberhinaus gilt: “Das Leben ist zu kurz für lange Meetings” (Klaus Klages, Verleger, wird gerne in der Kalapa Leadership Academy zitiert).


Herzlichst,

Ihr Friedhelm Boschert

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