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  • AutorenbildFriedhelm Boschert

„WIE eigentlich wird eine Bank nachhaltig?“

Aktualisiert: 16. Juni 2019




Banker aufgepasst! Es wird ernst. „Ich wage die Behauptung, dass auf lange Sicht nur ein auf Nachhaltigkeit bedachtes Kreditinstitut auch selbst nachhaltig im Markt bestehen kann“, sagt nicht irgendwer, sondern Raimund Röseler, Executivdirektor Bankenaufsicht bei der BAFIN. „Institute, die sich nicht anpassen, werden langfristig vielleicht keine Investoren, Kunden und keine jungen und motivierten Mitarbeiter mehr finden.“


Und außerdem: woher sollen denn die 180 Mrd. Euro jährlich kommen, die alleine in Europa zur Erreichung der Pariser Klimaschutzziele benötigt werden? Wenn nicht von der Finanzindustrie. Banken, Versicherer, Pensionskassen und Investment-Fonds werden den Großteil dieser Beträge aufbringen. Sustainable Finance wird die Finanzbranche daher dauerhaft beschäftigen – und das im doppelten Wortsinne. Aber um was genau geht es denn dabei? Und wie bringt man dieses Thema in die Köpfe und Herzen der Finanzmenschen?


Drei Kernbereiche von Nachhaltigkeit in Finanzinstituten


Zunächst geht es um die Abschätzung und Beurteilung der Risiken, die mit dem Klimawandel verbunden sind. Dann geht es um die Lenkung der Geldströme, also die Finanzierung der Investitionen in eine nachhaltige Realwirtschaft. Und drittens geht es um Transparenz für die Anleger und Investoren. Betrachten wir diese kurz der Reihe nach.


Nachhaltigkeits-Risiken


„Es ist sicher weniger das Risiko eines vom Sturm abgedeckten Dachs, das Regulierer, Aufseher und Zentralbanker auf den Plan ruft oder das überflutete Rechenzentrum eines Kreditinstituts,“erläutert Frank Pierschel von der BaFin, „Es sind die indirekten Risiken, also die, die sich aus der Kundenstruktur dieser Finanzunternehmen ergeben.“ Die nationalen und internationalen Aufsichtsbehörden sehen die Nachhaltigkeitsrisiken mittlerweile als eine gesamtwirtschaftliche Bedrohung mit den entsprechenden Wirkungen auf die Finanzmarktstabilität!


Die Klima- und Umweltrisiken schlummern bereits heute in den Aktiva und Betrieben von Banken und Versicherern – als Kreditrisiko, als Marktrisiko oder als operationelles Risiko. Zerstören Stürme und Überschwemmungen kreditfinanzierte Häuser (physisches Kredit-Risiko), dann stellt sich zuerst die Frage nach der Versicherung. Andernfalls wird das Risiko für die Bank schlagend. In der Versicherungswirtschaft wird übrigens bereits heute das Szenario einer „nicht-versicherbaren Welt“ diskutiert, wenn die Klima-Erwärmung 4 Grad überschreiten sollte!


Nachhaltigkeits-Risiken werden kurzfristig vor allem im Bereich des Marktrisikos relevant: Wenn sich Preise verändern, z.B. wenn Rating-Agenturen beginnen, die Auswirkungen des Klimawandels auf Staaten und Regionen zu bewerten, dann hat das Folgen. Oder Emissionszertifikats-Preise stark schwanken.


Im Bereich der operationellen Risiken weist Raimund Röseler auf die oft vernachlässigten Reputationsrisiken hin, „die entstehen können, weil Banken die Umorientierung auf Nachhaltigkeit verschlafen haben, wenn zum Beispiel das Geschäftsgebaren als unmoralisch gewertet wird und Rechtsrisiken entstehen“. Hier müssen sich Banken schon sehr genau anschauen, wen oder was sie in Zukunft finanzieren möchten. Denn so einfach wie bisher werden sich die stakeholder zukünftig wohl nicht mehr abspeisen lassen.


Lenkung der Finanzströme


„The financial sector must not forget that it is to serve the real economy … „ schrieb der damalige Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, den Bankern kurz nach Ausbruch der Finanzkrise ins Stammbuch. Also nachhaltige, langfristig wirksame Investitionen in eine reale Werte schaffende, gesellschaftlich und ökologisch ausgerichtete Wirtschaft. Das fordert seit 2018 der „Aktionsplan Sustainable Finance“ der EU-Kommission klar und deutlich. Und das erfordert mehr als nur eine „Negativ-Liste“, was man als Bank nicht mehr finanzieren oder in das man als Versicherer nicht mehr investieren möchte. Das erfordert einen gänzlich neuen Mindset, der mit der Frage beginnt: „Was ist unser Beitrag für eine langfristig lebenswerte Welt“.


Transparenz


Auch das ist eine Frage der Haltung, des Mindsets, obwohl die Transparenz-Vorschriften zum Großteil heute schon existieren. Die Bank muss den Anlegern und Kunden schlüssig erklären können, was sie selbst unter Nachhaltigkeit versteht, wie sie die finanziellen Chancen und Risiken in Bezug auf Nachhaltigkeit berücksichtigt. Und zwar in Bezug auf alle Produkte, die eigenen wie die fremden. „Für Produkthersteller und Vertriebsunternehmen heißt das, dass sie bei der Zielmarktbestimmung und Produktklassifizierung künftig ESG-Kriterien einbeziehen müssen“, erläutert Elisabeth Roegle, Exekutivdirektorin Wertpapieraufsicht bei der BaFin die entsprechenden Regelung in MIFID II, und stellt auch gleich den Bezug zur Anlageberatung her, bei der Kunden zukünftig gefragt werden müssen „ob ihnen die ESG-Kriterien bei der Finanzanlage wichtig sind, und dies bei der Anlagestrategie und der Anlageempfehlung berücksichtigen“. Ola, da wird gerade auf die Anlageberater einiges zukommen! Da reicht das Abhaken auf Formularen sicher nicht mehr aus.


Geht nicht ohne tiefgreifenden Kulturwandel in der Bank


Der Umgang mit neuen Risikoklassen, neue Geschäftsstrategien und Entscheidungsparameter, weitreichende Transparenzpflichten – all das lässt sich nicht mit ein paar Vorstandsbeschlüssen in den Alltag der Bank transportieren. Erreicht werden sollen ja nicht nur die Köpfe von Führungskräften und Mitarbeitern, sondern auch vor allem deren Herzen. Anders gelingt der Wandel nicht. Die Nachhaltigkeits-Manager und die CSR-Abteilungen der Finanzinstitute wissen ein Lied davon singen. „Die Kunst, eine andere Wirklichkeit zu denken und in Veränderungen zu übersetzten, benötigt eine besondere Mischung aus Wissen, aus Haltung und aus konkreten Fähigkeiten zur Umsetzung“, zitiert Silke Stremlau, Vorstand Hannoversche Kassen, aus der Transformationsforschung in ihrem unbedingt lesenswerten Beitrag „Nachhaltigkeit als Chance“.


Und damit sind wir wieder an der unentbehrlichen Grundlage von Sustainable Finance angelangt. Die Fähigkeit jedes Einzelnen, anders zu denken, und das neue Denken dann in der Wirklichkeit entstehen zu lassen. Ob Bank-Vorstand oder Anlage-Berater in einer Bank-Filiale, beide müssen in der Lage sein, ihre bisherigen Denk- und Verhaltensmuster nicht nur klar zu erkennen, sondern vor allem auch loslassen zu können. In dieser Fähigkeit der Akteure unterscheiden sich letztendlich gute von schlechten Strategien. „One of the quintessential components of a good strategy is the ability to take a step out of the internal storyline and shift viewpoints. The most powerful strategies arise from such game-changing insights“, erläutert der amerikanische Best-Seller-Autor und Management-Professor Richard Rumelt.


Da man solche Zukunftsfähigkeiten und Einsichten nicht quasi im Vorbeigehen lernt, hat das Mindful Finance Institute gemeinsam mit der Steinbeis Akademie einen einjährigen Studiengang „Mindful Finance Leadership“ ins Leben gerufen. Hier erwerben die Teilnehmer die für die Transformation der Finanzindustrie notwendigen Skills und Einsichten. Für die Finanzwirtschaft bietet sich mit „Sustainable und Mindful Finance“ gegenwärtig die einmalige Chance, in einem positiven Sinne aktiv an der Lösung der Herausforderungen im wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Bereich zu arbeiten. Oder wie wir das in der Positionierung des Mindful Finance Institute ausdrücken: „This change will reconnect the industry to the heart of value creation – trust.“

Im nächsten Blog werden wir die Implementierung von Sustainable Finance in die Unternehmenskultur näher betrachten. Damit wünsche ich Ihnen eine gute Zeit und einen achtsamen Umgang mit sich und der Umwelt.

Ihr

Friedhelm Boschert


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